Seit ich als Kind im Kindergarten das einzige Mädel war, bei der das Feldbett nach dem Aufstehen durchhing und mich alle auslachten, beschäftige ich mich schon mit meinem Gewicht. In diesem Moment, ich war damals sechs Jahre alt, wurde mir schlagartig klar, dass ich wohl anders bin. Offensichtlich war ich größer und kräftiger als andere Mädels, aber bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass ich deswegen „schlechter“ zu sein schien und es einen Grund gab, mich auszulachen.
Nach dem ich mit fünf Jahren meine Mandeln entfernt bekam, legte ich relativ schnell an Gewicht zu. Ich wuchs schneller und ich war ruck zuck dicker als andere Kinder im meinem Alter. Als ich in die Grundschule kam, gab es an der ganzen Grundschule nur einen Viertklässler, der größer war als ich und das Lästern und Foppen ging weiter. Es ging so weit, dass ich mit 10 schon nicht mehr gerne ins Schwimmbad ging und ich nur noch Klamotten trug, die meinen Po und meine Oberschenkel bedeckten. Vorbei waren die unbeschwerten Zeiten, in denen ich mich frei von Komplexen bewegen konnte. Ich hatte täglich das Gefühl nicht so gut auszusehen, wie die anderen.
Zu fett für Ballett
Mit Anfang 12, da wog ich 84kg bei 1,74m, beschloss ich abzunehmen. Auslöser war der Gesichtsausdruck meines Vaters, der vor mir auf die Waage stieg und nur 82kg wog. Im Nachhinein hätte ich mir wirklich mehr Unterstützung durch meine Eltern gewünscht. Nicht Unterstützung beim Abnehmen, sondern Unterstützung bei der Selbstakzeptanz und Selbstliebe. Wie gerne hätte ich damals mal gehört, dass ich gar nicht so schlimm bin, wie ich denke. Das ich trotz meines Gewichts schön bin. Naja, aber das ist eine andere Geschichte.
Innerhalb von 5 Monaten nahm ich 12kg ab und meine 72kg hielt ich auch bestimmt bis ich 19 Jahre alt war. Selbstbewusster wurde ich dadurch allerdings nicht wirklich. Natürlich wurde das Hänseln weniger, auch weil ich deutlich weiblicher aussah als zuvor. Ich ließ mir die Haare wachsen und fing an mich zu schminken. Plötzlich (mit 13-14) interessierten sich auch mal Jungs für mich und das tat schon gut. Aber tief in mir empfand ich, dass ich nie so schön sein konnte, wie meine zierlichen, schlanken Freundinnen.
Du bist zu fett – Iss doch einfach weniger!
Mit 20 legte ich innerhalb von kürzester Zeit an Gewicht zu, plötzlich wog ich 90kg. Geändert hatte ich so gut wie nichts. Ich aß zwar unregelmäßiger als zuvor, denn ich war nach Köln gezogen und wurde nicht mehr von Mama bekocht. Die Gewichtszunahme war wirklich überraschend für mich. Auch war ich plötzlich immer müde und genervt. Meine Haut wurde schlechter, meine Haare verloren den Glanz, brachen ab und ich war einfach nur noch deprimiert.
Als ich mit 21 nach Mannheim zog, um dort zu studieren, wog ich 92kg und fühlte mich nicht wirklich gut. Ich wollte unbedingt wieder abnehmen, begann mit Joggen & Walken und versuchte so wenig wie möglich zu essen. Ich zog das Programm wirklich auch durch, aber ich schaffte es einfach nicht wieder unter 90kg zu kommen. Es war zum Verzweifeln. Meine Laune wurde schlechter und schlechter. Als dann auch noch Hitzewallungen dazu kamen, beschloss ich zum Arzt zu gehen.
Lass mich Arzt, ich bin durch!
Mit 22 wurde bei mir dann eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt. Ich bekam Tabletten (L-Thyroxin, 50mg), die Ansage ich solle täglich eine nehmen und einmal im halben Jahr zur Kontrolle kommen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es wirklich unmöglich war, mich so unaufgeklärt nach Hause zu schicken. Mir wurde weder erklärt, was eine Unterfunktion bedeutet, noch wie wichtig die korrekte Einnahme der Tabletten ist.
Wie sollte es auch anders sein, ich nahm die Tabletten unregelmäßig, mal zu spät, mal gar nicht. Die Dosierung wurde zwei Mal im Jahr nach oben angepasst, ein Jahr später nahm ich also bereits 100mg. Meine Beschwerden wurden allerdings nicht besser, sondern immer schlimmer und ich wurde immer dicker. Mittlerweile aß ich auch deutlich mehr, was meine Gewichtszunahme natürlich noch beschleunigte. Ich war durch und durch gefrustet, wollte nicht mehr wirklich raus und der Klamottenkauf war nur noch ätzend.
2004 begann ich in Mainz mein Zweitstudium und zog mit meinem Ex-Freund nach Gau-Odernheim. Zu diesem Zeitpunkt wog ich bereits 110kg. Der ansässige Hausarzt hielt mich für einen Hypochonder, riet mir weniger zu essen und mehr Sport zu machen. Ich meldete mich also in einem Fitnessstudio an und trainierte zwei bis dreimal die Woche. Ich machte Cardio-, Kraft- und Powerplate Training und nahm nicht ab. Was denkt ihr wie meine Laune war?
Meine Schilddrüse ist ein Arschloch!
Weitere zwei Jahre und 15kg später, zog ich wieder in die Nähe meiner Heimatstadt Kaiserslautern. Aufgrund einer Empfehlung von Freunden, machte ich einen Termin bei einer Endokrinologin. Hier hatte ich das erste Mal im Leben das Gefühl, dass mir jemand ernsthaft helfen wollte. Frau Dr. Gräber war die erste Ärztin, die feststellte, dass ich an Hashimoto litt. Diesen Namen hatte ich vorher noch nie gehört.
Die Hashimoto Thyreoiditis ist eine Autoimmunerkrankung, die mit einer chronischen Entzündung der Schilddrüse einhergeht. Die Krankheit betrifft durch die oft entstehende Schilddrüsenunterfunktion den ganzen Körper. Die eigentliche Ursache dieser Erkrankung liegt in einer Fehlfunktion des Immunsystems mit Bildung von Schilddrüsen-Antikörpern, die dann über Jahre oder sogar Jahrzehnte zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse mit einer Zerstörung des normalen Schilddrüsengewebes führt. Betroffene müssen den Rest ihres Lebens Hormone einnehmen, um so die Symptome zu bekämpfen.
Wichtig zu wissen ist hier, dass nicht jeder Hashimoto Patient die gleichen Symptome hat. Der Verlauf und die Auswirkungen der Krankheit sind von Person zu Person individuell verschieden. Bei mir war es eine Kombination aus einem Symptom der Überfunktion (übermäßiges Schwitzen) gepaart mit einigen Symptomen der Unterfunktion (Gewichtszunahme, brüchige Haare und Nägel, Dauermüdigkeit, Wassereinlagerungen, depressive Stimmung).
Frau Dr. Gräber war auch die erste Ärztin, die mir bewusstmachte, wie wichtig die regelmäßige Einnahme der Tabletten ist. Regelmäßig bedeutet hier nicht nur täglich, sondern am besten auch täglich um die gleiche Uhrzeit, eine halbe Stunde vor der ersten Mahlzeit. Ich bin ehrlich, ich hielt mich trotzdem nicht immer daran und aß fröhlich weiter. Mittlerweile nahm ich 175mg L-Thyroxin ein. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass ich alleine durch die Einnahme der Tabletten wieder abnehmen würde. Das ist definitiv nicht so!
Happy days ahead
Weitere zwei Jahre und noch weitere Kilos später, wechselte ich erneut den Arzt. Seit 2008 bin ich bei Herrn Dr. Alexander in Kaiserslautern in Behandlung und ich bin super zufrieden. Herr Alexander interessiert sich nicht nur für meine Schilddrüsenwerte, sondern auch für mein Wohlbefinden. Er fragt mich nach meinen Haaren, meiner Haut, meiner Vitalität, etc. und er hört mir wirklich zu und überlegt wie er mir helfen kann.
Was ich besonders gut finde ist, dass Herr Alexander die Dosierung meiner Hormontabletten so lange erhöht hat, bis ich eine deutliche Besserung verspürt habe. Ich nahm eine ganze Weile 250mg L-Thyroxin und meine Beschwerden wurden besser. Meine Haare brachen weniger ab, hatten ihren Glanz wieder und meine Haut wurde auch deutlich besser. Zusätzlich war ich fast nicht mehr müde und wollte wieder raus, was wirklich super gut tat. Endlich war ich richtig eingestellt!
Auch das Abnehmen klappte nun wieder. Allerdings musste ich einiges dafür tun. In diesem Zusammenhang habe ich übrigens Vibono für mich entdeckt. Da dieser Post aber definitiv kein Diät-Post, sondern ein Aufklär-Post sein soll, komme ich zurück zum Thema. Den Spruch in der Überschrift habe ich vor ca. 2 Wochen in einer Facebook Gruppe gelesen und weiß Gott schon so oft gehört. Das Mädel in der Gruppe behauptete, dass es keine Krankheit oder Störung gäbe, die Abnehmen verhindere. Jeder Mensch sei selbst daran schuld, wenn er oder sie zu fett sei! DAS STIMMT NICHT!!!
Ich weiß, dass es bei den meisten Menschen funktioniert, wenn sie „einfach“ weniger Kalorien zu sich nehmen, als ihr Leistungsumsatz. Auch bei mir ist das mittlerweile so! ABER: Das funktioniert nur, weil ich so gut eingestellt bin. Ohne meine Tabletten würde das bei mir nicht gehen. Es gab Zeiten, da habe ich wochenlang nur ein Brötchen am Tag gegessen und trotzdem kein Gramm verloren. Im Nachhinein kamen dann die gefürchteten Heißhungerattacken und ich nahm noch mehr zu statt ab. Das war natürlich meine „Schuld“, denn mein Schweinehund war stärker als ich. Ich habe übrigens selbst jahrelang geglaubt, dass ich wohl einfach nur zu inkonsequent und schwach bin. Dr. Alexander hat mich allerdings eines besseren belehrt!
Wer perfekt ist, werfe den ersten Stein
Ich möchte hier einmal in aller Deutlichkeit sagen: Nur, weil etwas bei einem selbst ganz einfach/schwer funktioniert, heißt das nicht, dass es bei allen anderen genauso einfach/schwer ist. Man selbst ist nicht das Maß aller Dinge! Außerdem sollte man nicht vergessen, dass so viele Faktoren hinzukommen können, die man als Außenstehender überhaupt nicht bemerken kann. Nur weil es Peter z.B. leicht fällt mit dem Rauchen aufzuhören, heißt nicht, dass es Susanne genauso leichtfällt. Genauso ist es mit dem Geschmack. Nur weil mir etwas schmeckt, heißt das noch nicht, dass es Volker auch schmeckt.
Deshalb ihr Leute: Hört auf mit euren Verallgemeinerungen und Vorverurteilungen. Nicht jeder übergewichtige Mensch ist selbst daran schuld, dass er Übergewicht hat. Genauso wenig ist jeder sehr schlanke Mensch selbst daran schuld. Und selbst wenn ich mittlerweile ganz alleine dafür verantwortlich bin, dass ich NICHT wieder 72kg wiege: Keiner hat das Recht mir Vorwürfe zu machen, außer ich selbst! Und wisst ihr was? Ich habe aufgehört mir Vorwürfe zu machen! Ich finde mich momentan nämlich ganz gut so, wie ich bin. Ein paar Kilo weniger wären besser für meine Gesundheit, definitiv, aber mein Seelenheil mache ich davon nicht mehr abhängig! Ich akzeptiere jeden Menschen so wie er oder sie ist, allen voran mich selbst!
Heike meint
Ich finde dich auch *ganz* gut.
😉 LG Heike
Katja meint
<3 <3 <3
Dito!
Uta meint
Katja, dass kommt mir alles so bekannt vor! Fast 1:1…
Ich war mal „normalgewichtig“. Aber mit zwischen 64-70 kg bei 1,71 m( durchtrainiert!!!) sah ich neben meiner 48-52 kg Freundin (Kleidergröße 34/36) immer irgendwie „fett“ aus.
Dann unfallbedingt von heute auf morgen Schluss mit Leistungssport, weggezogen für Ausbildung und Studium usw. fast wie bei dir. Schwups hatte ich mich fast verdoppelt. Schilddrüsenprobleme (derzeit in Abklärung – Verdacht Hashimoto) usw.
Euer Blog ist toll – eure Authentizität und Ehrlichkeit, ihr macht Laune und Mut!
Alles Liebe, Uta vom Damenhaftblog
Katja meint
Liebe Uta,
vielen lieben Dank für Deinen tollen Kommentar! Das Kompliment geben wir sehr gerne zurück. <3
Ich hoffe Du hast bald Klarheit wegen Deiner Schilddrüse!
Sonnige Grüße
Katja
Katrin meint
Ein toller Bericht, der mir wieder Mut macht. Danke!
Katja meint
Es freut mich sehr, dass ich Dir Mut machen konnte!
Viele liebe Grüße
Katja <3
Michelle meint
Danke für deinen ehrlichen und ausführlichen Bericht!
Ich finde es schlimm, wenn Menschen so vorschnell verurteilen. Immer auf die anderen und sagen „Du, du, du!“ – geht gar nicht!
Ich habe selbst eine Autoimmunerkrankung und daher Schilddrüsenprobleme. Jedoch bin ich so oder so schon übergewichtig, durch die Einnahme meiner Tabletten und die Regelung der Überfunktion hab ich einfach 20 kg von heute auf morgen zugenommen. Das hat man mir zum Glück nicht wirklich angesehen (wie auch immer das geht), aber ich hab mich echt erschrocken.
Man ändert nichts, abgesehen von „ein paar Tabletten“ und zack, sowas!
Danke für deinen schönen Bericht!
Bleib wie du bist 🙂
Viele Grüße aus Singapur <3
Michelle
Katja meint
Liebe Michelle,
vielen lieben Dank für Deinen tollen Kommentar. Ich wünsche Dir nur das Allerbeste!
Sonnige Grüße
Katja