Mein Dornenweg begann in der Pubertät, so in der Hälfte der 8. Klasse. Wir hatten einige Jungs in der Klasse, die schon etwas weiterendwickelt waren, dachten sie zumindest damals. Ebenso hatten wir ein paar, die befanden sich noch ganz am Anfang (zumindest spielten sie noch mit Matchbox Autos und hatten offensichtlich noch nicht wirklich Interesse am weiblichen Geschlecht)……und ich, ich befand mich irgendwo in der Mitte der angehenden Proleten-Runde.
Mein Problem war in dieser Zeit, dass ich ja von Anfang an etwas größer gewachsen war und einige der Möchtegernweiterentwickelten meinten, sie müssten ihre Kräfte an mir testen und den Mädels in unserer Klasse damit beweisen, dass nur sie die Alphatierchen auf dem Planeten sind. Das war nicht ganz so einfach für mich, da ich eine sehr soziale Erziehung genossen habe und mich nicht wirklich schlagen wollte, wobei mich das in Bezug auf die Rangordnungsspielchen leider nicht weitergebrachte. Also, Augen zu und durch, dachte ich mir. Aber wie es so ist im Leben, wenn man sich nicht wehrt, hört das Ganze ja nicht einfach auf, sondern wird dementsprechend noch weiter ausgebaut. Daran musste ich also etwas ändern! Gesagt getan, teilte ich in der weiteren Lebensphase einfach mehr und schneller aus, was mir den nötigen Respekt verschaffte. Lag zwar nicht wirklich in meiner Natur, aber es war definitiv das Mittel zum Zweck, stolz bin ich darauf nicht.
Manchmal ging es aber auch einfach um Hänseleien auf verbaler Ebene. Am meisten ging es darum, jemanden, in diesem Fall mich, schlechter vor anderen dastehen zu lassen, hauptsächlich vor den Mädels, sei es in den Pausen nach der Schule, oder auch auf Klassenfahrten.
Oftmals drehte es sich bei den Verbalattacken um meinen breiten Hintern, ich wurde z.B. als Fettarsch usw. betitelt. Das war nicht gerade etwas, was man in dieser Phase der Entwicklung gebrauchen konnte. Ich war und ich bin definitiv stämmiger gebaut als viele andere Männer und mein breiter Hintern lässt sich auch mit Abnehmen nicht einfach wegzaubern. Meine breiten Hüften habe ich von meiner Mutter geerbt, das lässt sich nicht leugnen und auch nicht übersehen. Warum man aber jemanden aus diesem Grund denunzieren und piesacken muss, ist mir bis heute noch ein Rätsel.
Bei meiner Auswahl an Kleidung hatte ich ebenso meine Probleme. Die Größen meiner Klassenkameraden konnte ich schon länger nicht mehr tragen, was mich irgendwie schon peinlich beeinflusste. Ganz kurze Zeit konnte ich mal die 501er von Levis tragen, die war so „in“ damals, leider aber an den Oberschenkeln nicht gut geschnitten für mich. Ich machte mich also auf die Suche nach einer coolen Hose, die mir ordentlich passte und nicht wie die restlichen von meiner Mutter bei C&A oder Karstadt rausgesucht wurden. Endlich bekam ich meine erste Replay, da war ich so stolz und sie passte perfekt. Leider musste sie aber auch mal in die Wäsche und ich, an den anderen Tagen, mit einer uncoolen Standarthose, in die Schule. Das führte unweigerlich wieder zu entsprechenden Hänseleien.
Die Größenunterschiede bei den Klamotten in unserer Clique waren auch relativ wichtig, da fast alle meine Freunde untereinander was tauschen konnten, mal ein tolles Skater-Shirt oder einen coolen Pullover für den Besuch einer Party, das hat bei mir nicht wirklich funktioniert, meine Freunde hatten irgendwann Größe S oder L, ich hingegen war da schon lange bei XL angekommen.
Wenn wir schon mal bei ungleich sind, das spiegelte sich ja logischerweise auch beim Fußball wieder, schnell passte ich nicht mehr in die Trikots der aktuellen Saison, geschweige denn in die kurzen Hosen. Einzige Lösung, das Runde muss ins Eckige! Somit fand ich mich recht schnell in meiner noch jungen Fußballkarriere im Tor wieder, wo ich eine ganz passable Leistung erbrachte und wir auch einige Meisterschaften erringen konnten.
In meiner späteren Ausbildung war auch immer mal wieder mein dicker Hintern ein Grund, um den noch unwissenden Azubi zu ärgern. Ganz besonders haben sich da zwei Leihmonteure bei mir eingeprägt, die kurzzeitig von meinem Chef angemietet wurden, um uns bei der Vielzahl von Aufträgen zu unterstützen.
Nach meiner Ausbildung wurde ich zum Wehrdienst eingezogen, auch da gab es, bei der Kleidungsausgabe wieder die ersten Probleme. Standard passte nicht und der Rest musste erst bestellt werden. Nach ein paar Wochen hatte ich alles zusammen und leistete, pflichtbewusst, meinen Wehrdienst. Weitere 12 Monate meines Lebens ohne Moos.
So fing das damals an und hat auch seitdem nicht aufgehört, mit der Suche nach passenden Klamotten und auch mit Beleidigungen anderer Menschen mir gegenüber, sei es nur mit Blicken oder Tuscheln, wo man genau weiß, um was es gerade geht.
Es kommt auch heute immer mal wieder vor, dass es, in welchem Zusammenhang auch immer, sei es bewusst oder auch „lustig“ verpackt, zu diesen Überschreitungen in meinen ganz persönlichen Bereich kommt. Vor kurzem meinte jemand bei einem normalen Gespräch mit einem Mädel „Gell Dicker……..!“ (Wohl gemerkt, wir kannten sie bis dato nicht) Eine Aussage, die selbst das Mädel nachhaken lies und sie fragte ihn „Was passt Dir denn an ihm nicht, warum triffst du eine solche Aussage…..ist er dir zu dick, zu groß, zu tätowiert, zu alt, oder was ist dein Problem?“ Mir war schon klar warum er diese Aussage getroffen hatte, ganz einfach, er wollte vor dem Mädel besser da stehen. Warum macht man das, reicht da das eigene Ego nicht aus, oder ist die eigene Ausstattung nicht sonderlich gut ausgefallen? Warum will man irgendwo, egal ob im Job oder Privat, punkten, indem man andere in ein schlechtes Licht rückt?
Ein anderes Mal kam vor ein paar Monaten auf einer Party die Aussage von einem Bekannten „Ey, da wäre ja Platz in der Bar, wäre da nicht der Fettarsch-Baumann.“
Nach solchen Anfeindungen suche ich den Dialog mit diesen Personen und kündige ihnen im Anschluss daran die Freundschaft. Natürlich haben sie im Nachgang das Ganze so nicht gemeint, oder konnten sich angeblich daran nicht mehr erinnern und es tat ihnen auch immer Leid usw.! Ich sag Euch was, ich scheiß drauf, solche Menschen brauche ich definitiv nicht an meiner Seite.
Ich bin wie ich bin und werde an solchen Menschen nicht festhalten, und das solltet ihr auch nicht tun.
Meine bessere Hälfte, Katja, ist in ihren Reaktionen auf solche Situationen etwas weicher als ich. Daran arbeiten wir noch. 🙂 Wie man sehen kann, erging und ergeht es uns sehr ähnlich und deswegen ist es für uns umso wichtiger, diese Dinge miteinander besprechen zu können und uns gegenseitig den Rücken zu stärken. Wir sind uns eine riesige Hilfe im Bewältigen solch negativer Erfahrungen. Einen verständnisvollen Partner zu haben ist, unserer Meinung nach, das erste Puzzleteilchen zum Überwinden der eigenen Unsicherheiten. Dazu kommt ein Freundeskreis, der sich seiner Macht bewusst ist und diese nicht ausnutzt. Da man aber niemandem hinter die Stirn schauen kann, kommt es ab und an natürlich zu Veränderungen des solchen. Aber so ist es eben im Leben. Die Hauptsache ist, man erkennt auf kurz oder lang, auf wen man sich wirklich verlassen kann. Es hat ja auch niemand gesagt, der Weg in eine „Body positive“ Zukunft sei einfach! Wir arbeiten mit Nachdruck daran und wer Lust hat darf uns gerne begleiten.
Volker
Schreibe einen Kommentar