Mein Mann und ich haben beide sehr ähnliche Erfahrungen gemacht was Menschen und deren Reaktionen auf unsere Übergröße angeht. Volker konnte fiese Sprüche oder Beleidigungen schon immer recht gut wegstecken bzw. hat sich konsequent gewehrt, ich leider nicht. Ich habe ja schon öfter darüber geschrieben, wie sehr mich die Aussagen mancher Menschen verletzt haben und dass ich erst in den vergangenen Monaten wirklich lernte anders damit umzugehen. Aber: Auch heute frage ich mich immer wieder wie es sein kann, dass manche Personen so dermaßen empathielos und negativ sind!? Die unglaubliche Intoleranz vielerorts, vor allem im Internet, kotzt mich sowas von an!
Schaut man sich in den sozialen Netzwerken um, so kann einem echt schlecht werden. Wie die Hyänen fallen dort Unbekannte über Andere her und verbreiten ungehemmt ihren Hass gegenüber Allem und Jedem. Die Grenzen der guten Kommunikation werden meilenweit unterschritten und so zeigen die sozialen Netzwerke ihre doch oft sehr asoziale Seite. Besonders in Facebook Gruppen bekommt man schnell das Gefühl, das niemand wirklich sicher ist.
Da gibt es Katzengruppen in denen über Fleischesser hergezogen wird, Städtereisengruppen in denen Fremdenhass verbreitet wird, Elterngruppen in denen gegen Homosexuelle gehetzt wird, Fitnessgruppen in denen Dickenwitze an der Tagesordnung sind, aber auch Plus Size Gruppen in denen über Dünne gelästert wird. Shaming jeder Art ist omnipräsent.
Das ist wirklich traurig! Klar, es gibt Leute, denen es ausschließlich darum geht andere fertigzumachen. Aber gehen wir mal davon aus, dass DAS nicht normal ist. Denn ich denke (hoffe), dass die meisten Menschen grundsätzlich eigentlich gar nicht so negativ und hasserfüllt sind. Trotzdem kam es immer wieder, sowohl in meinem Familien- als auch Freundeskreis, vor, dass ich quasi „geshamed“ wurde.
Aber ich glaube nicht, dass das wirklich absichtlich geschah, denn leider ist das Beurteilen Anderer aufgrund ihres Aussehens fest in unserer Kultur verankert. Die vielen Schubladen des Alltags wurden nicht spontan gezimmert, sondern sind das Ergebnis jahrelanger Konditionierung. Daher passieren Dinge wie Fat Shaming öfters auch mal unabsichtlich oder (noch öfter) aufgrund mangelnder Information/Bildung.
Versteht mich nicht falsch, das macht es natürlich NICHT weniger schlimm, aber manchmal hilft es dabei, die Hintergründe zu verstehen. Ich gebe euch mal ein Beispiel: Ein Klassenkamerad von mir war während einer Sportstunde mal mega erstaunt, dass ich auf dem Schwebebalken turnen konnte (inkl. Handstand ab). Warum war er nur bei mir so erstaunt und bei meiner schlanken Freundin überhaupt nicht?
Weil er dachte, dass dicke Mädchen wie ich so etwas nicht können. Er kriegte sich kaum noch ein und betonte, dass ich ja echt gut turnen könne. Ihm war überhaupt nicht klar, dass ich das nicht wirklich als Kompliment aufgefasst habe. In seiner Welt konnten Dicke eben nicht turnen bzw. waren unsportlich. Das ist natürlich völliger Quatsch, denn Übergewichtige können sehr wohl sportlich und fit sein, genauso wie alle anderen Menschen auch!
Damals hab ich nicht wirklich etwas dazu gesagt und die Erfahrung mit nach Hause genommen. Heute würde ich ihm erklären, dass seine falsche Erstauntheit eine Art von Fat Shaming war. Auch viele Diät- oder Outfit Tipps, die einem helfen sollen „besser“ auszusehen, gehören in die Kategorie Fat Shaming. Was wir essen, tragen, mögen, lieben – Alles ist alleine unsere Entscheidung und niemand hat das Recht uns reinzureden oder gar uns zu verurteilen, nur weil wir etwas anderes tun, als andere! Ich finde, der Ton macht die Musik und der Grad zwischen wirklicher Unterstützung und Fat Shaming ist sehr schmal.
Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn mir meine Freunde, meine Eltern, meine Schwester oder mein Mann sagen, dass ihnen mein aktuelles Outfit nicht gefällt. Womit ich ein Problem habe ist, dass wenn ich mich trotzdem für die Klamotten entscheide, weiter kritisiert zu werden. Geschmäcker sind und bleiben verschieden, aber der Wert eines Menschen hat nichts mit seinem Aussehen zu tun.
Ich fordere von meinem Umfeld Toleranz und zwar in jeglicher Hinsicht! Wem ich zu dick, zu groß, zu weltoffen, oder was auch immer bin, der darf mir sehr gerne den Rücken zu kehren. Ich brauche Menschen, die zu mir stehen und mich so akzeptieren, wie ich bin. Und diese Menschen können sich sicher sein, dass ich das umgekehrt mit ihnen (und auch mit mir) genauso mache!
Wie seht ihr das? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder habt ihr eine ganz andere Sichtweise? Ich freue mich auf eure Kommentare.
Kay meint
Ein schwieriges Thema. Wie du richtig schreibst, macht der Ton die Musik. Andererseits darf man auch nicht alles auf die Waagschale legen, dein Beispiel aus der Schulzeit mit dem Turnen ist ein gutes Beispiel dafür. Weißt du, ob der Junge dich bewundert hat, weil du die sportlichen Anforderungen aufgrund deiner körperlichen Beschaffenheit erfüllt hast, oder aus einer aufrichtigen Anerkennung für deine Leistung heraus? In deinem Fall kann ich das nicht beurteilen, aber ich merke oft, dass Menschen gewisse Aussagen automatisch auf ihr Äußeres beziehen, was aber überhaupt nicht so gemeint war. Bestimmt liegt der Grund dafür im Umgang miteinander und auch weil man es gewohnt ist gerade im Internet auf Äußerlichkeiten reduziert zu werden. Aber man muss achtsamer werden, sowohl in seinen Aussagen, als auch im Zuhören /der Interpretation 🙂
Man kann dieses Thema denke ich aus unzähligen Perspektiven betrachten. Ich finde deinen Beitrag wieder sehr gelungen und er enthält eine vorbildliche Message 🙂
Liebe Grüße, Kay.
http://www.twistheadcats.com
Katii meint
Fat Shaming ist meiner Meinung nach ein ziemlich schwieriges Pflaster… ich wurde in meiner Schulzeit ziemlich heftig gehänselt, weil ich „zu“ dünn war bzw. werde auch jetzt noch öfters von älteren Verwandten komisch angequatscht, ob ich denn nix zu essen bekomme, dabei ist bei mir alles komplett in Ordnung und ich bin schon alleine laut BMI alles andere als untergewichtig 😀
Übrigens kann ich dafür einen Handstand aaabsolut nicht 😉
Die Leute sollten sich einfach generell nicht zuviel drum scheren, was andere machen und einfach glücklich sein 🙂
Alles Liebe, Katii – Süchtig nach…
L♥ebe was ist meint
das ist ein ganz schön schwieriges Thema wie ich finde …
in meiner Kindheit hatte ich auch mit meinem Gewicht zu kämpfen, weil ich durch recht hohe Dosen von Kortison einfach total pummelig war :/
heute hat es sich glücklicherweise ausgeglichen, aber ich kann dennoch nachvollziehen wie das ist, weil es mich in der Kindheit geprägt hat!
liebste Grüße auch,
❤ Tina von liebewasist.com
Liebe was ist auf Instagram
Julia meint
Puh, es ist eine Gratwanderung ob es Fat Shaming ist oder eben nicht. Wie du so schön schreibst: „Der Ton macht die Musik“ – Wenn ich jemanden zu dick finde und es jemand aus meinen Freundeskreis ist, dann sag ich ihm das auch direkt. Allerdings nicht bosartig sondern auf eine nette und freundliche Art und Weise so dass die Person gegenüber nicht verletzt wird.
Man kann aus allem ein Fat Shaming machen oder ein anderes Shaming. Es kommt eben immer drauf an wie die Person es auffassen will. Es gibt eben auch die Leute die gleich alles als Anfeindung verstehen.
Alles Liebe,
Julia
https://www.missfinnland.at
Nadine meint
Liebe Julia,
darf ich dich fragen, warum du das jemandem dann sagst? Was ist dein Grund dafür, dass du jemandem sagen möchtest, dass du ihn zu dick findest? Was bringt es dir oder der anderen Person? Das ist mir nicht ganz klar. Und woraus schließt du dann, dass die andere Person nicht verletzt wird? Vielleicht sagt sie es dir nur nicht, weil du es ja „nett und freundlich“ gesagt hast. Ich habe das auch schon erlebt und mich dann nicht getraut zu sagen, dass es mich verletzt, weil ich nicht wollte, dass meine Freunde mich für schwach oder übersensibel halten oder als Zicke sehen, wenn ich dann sauer werde. Verletzt hat es mich aber trotzdem.
Ja, ob man sich geshamed fühlt, hängt auch damit zusammen, was man schon erlebt hat, aber nichts damit, ob man das so verstehen WILL. Es sind meist Muster, aus denen man handelt, weil man die Bewertung und Verurteilung so gewöhnt ist. Es ist immer dann Shaming, wenn du jemand anderem, ohne dass er dich um deinen Input dazu gebeten hat, Ratschläge gibst, wie er sich verändern sollte, oder du jemandem signalisierst, dass er so nicht richtig ist, wie er ist. Warum kann man aber nicht einfach die Menschen so lassen, wie sie sind, und sich dann verändern lassen, wann und wie sie es wollen? Oft wenn wir uns damit beschäftigen, was andere an sich verändern könnten oder sollten, ist das auch nur ein Zeichen dafür, dass wir uns von irgendwas bei uns selbst ablenken wollen. Und man darf die Gefühle anderer ernst nehmen und muss sie nicht abwerten, weil man seine eigenen Gefühle dazu dann nicht wahrnehmen möchte. Denn die eigenen Gefühle, die darf man auch ernst nehmen. Ist super befreiend und hilfreich. <3
Alles Liebe,
Nadine
Avaganza meint
Liebe Katja,
ich kann das gut nachvollziehen … ich war auch nie in der „Norm“ und wurde gehänselt. Es ist traurig wie sich andere anmaßen über jemanden zu richten … anstatt dass sich jeder um sich selbst kümmert. Und egal welchen Lästereien man ausgesetzt ist … ich glaube die steckt niemand so einfach weg. Ich auch nicht!
Bleib wie du bist!
ganz liebe Grüße
Verena
Nadine meint
Vielen Dank für den Beitrag, ich finde es sehr befreiend, dass es anderen da ähnlich geht wie mir. Ich war auch schon sehr häufig verletzt durch Aussagen, die andere getroffen haben, auch wenn sie es „nur gut gemeint“ haben. Ratschläge sind auch Schläge, wie man ja so schön sagt. 😉
Ich finde auch nicht, dass ich mir ein dickeres Fell zulegen muss. Viel eher ist es vielleicht sinnvoll, wenn man lernt sich zu trauen, das einfach auch mal zu äußern, dass einen das verletzt hat, was der andere gesagt hat. Vielleicht klärt es sich dann auf und der andere kann darauf reagieren. ABER: eine verletzende Aussage ist nicht unbedingt weniger verletzend, nur weil der andere es ja vielleicht nicht böse gemeint hat. Es zählt nur, wie ich mich dabei fühle, und das darf der andere dann auch respektieren.
Ein Problem, das gerade in unserer Gesellschaft entsteht, weil wir immer bewusster mit unserer Sprache werden, ist, dass viele Leute „Angst“ haben, jetzt etwas Falsches zu sagen. Das Problem liegt aber eigentlich nicht darin, was Falsches zu sagen, sondern dass man damit irgendetwas verbindet. Dass man vielleicht denkt, dass man dann ein schlechter Mensch ist, weil man unabsichtlich etwas verletzendes oder ignorantes gesagt hat. Das muss aber nicht so sein, es ist eine Einstellungssache. Wenn man einfach dazu die Einstellung hat, dass man offen ist und dazu lernen möchte und einem die Gefühle anderer wichtig sind, braucht das für einen nicht schlimm sein. Wir alle haben noch etwas dazu zu lernen.
Wenn jemand aus meiner Familie oder meinem Freundeskreis mir sagen würde, dass er oder sie mich „zu dick findet“, will ich das nicht hören, weil es mich nicht interessiert. Warum ist das für mich eine wichtige Information? Was soll ich daraus für Schlüsse ziehen? Es signalisiert mir nur, dass du findest, dass ich nicht richtig bin und mich verändern sollte. Warum? Ich wünsche mir, dass wir irgendwann in einer Welt leben, wo jeder sich so zeigen und ausdrücken darf, wie er oder sie möchte, ohne Angst zu haben, von anderen die ganze Zeit bewertet und verurteilt zu werden. Was bedeutet überhaupt „zu dick“ und warum stört das jemanden?
Es hat bei mir auch nie was gebracht, wenn andere sowas zu mir sagen, außer dass ich mich dann von der Person vielleicht zurückgezogen habe und aus Frust und Verletztheit noch mehr gegessen habe. Zum langfristigen Abnehmen animiert das niemanden wirklich. Und zur Selbstliebe schon mal gar nicht. Es fängt immer bei mir selbst an, aber andere dürfen auch dazu lernen und sich dahingehend verändern. Ich habe auch schon von Leuten das Feedback bekommen, dass mein Darüber-Sprechen ihnen geholfen hat, darüber jetzt anders zu denken und das finde ich super.
Ich finde es auch toll, dass es so Leute wie euch gibt, die über diese Themen sprechen und sie somit immer mehr in die Öffentlichkeit und das Bewusstsein deer Menschen bringen. Danke dafür! 🙂